Präsident 1913-1915

Dr. med. Hermann Hopf
1874-10.8.1930

Schmerzlich bewegt nehmen wir heute Abschied von einer markanten Persönlichkeit, deren Verlust die Schweizerische Röntgengesellschaft mit den bernischen Kollegen und engeren Freunden auf’s tiefste beklagt. Die Pionier-Arbeit unseres lieben Dr.Hermann Hopf ist mit der Geschichte der Röntgenkunde in der Schweiz, mit Ursprung und Entwicklung unserer Gesellschaft auf’s innigste verbunden. Ein Leben der Arbeit, ein Leben der verdienten Erfolge hat seinen zu frühen Abschluss gefunden. Wie mancher der Pioniere aus der ersten Ära der Röntgenologie hat Dr.Hopf seinen Tribut bezahlt, Kraft und Gesundheit der von ihm glänzend beherrschten, zur Lebensaufgabe gewordenen Tätigkeit geopfert, einer Tätigkeit, die so vielen Leidenden den Weg zur Gesundheit ermöglicht hat.
Als ältester Sohn des Pfarrers Adolf Hopf-Walthard auf der Schwarzenegg 1874 geboren, zog Hermann Hopf schon 1888 mit seinen Eltern nach dem lieblichen Gerzensee; in dem gediegenen Milieu eines bernischen Landpfarrhauses verbrachte er eine schöne Jugendzeit, erhielt er die Grundsteine seines Wissens, seiner Charakterbildung. Neben der Volksschule unterrichtete der Vater seine Söhne in den klassischen Sprachen und in Mathematik; auf dieser Grundlage weiterbauend durchlief der junge Hermann das Lerbergymnasium. Nach der Maturität 1893 entschied er sich nach seiner inneren Neigung zum Arztberuf und folgte so dem Beispiel seines Grossvaters, der Arzt in Thun und später in Bern Präsident des Inselverwaltungsrates gewesen war. Seine eifrigen Studien in Lausanne, Zürich und Bern beschloss er hier 1899 mit dem Staatsexamen. Den jungen Arzt finden wir zuerst als Assistenten auf der nichtklinischen medizinischen Abteilung des Inselspitals unter Dätwyler und hernach auf der chirurgischen unter Theodor Kocher.
Die ersten Jahre seiner selbständigen ärztlichen Tätigkeit begann Dr.Hopf als Landarzt in Buch und hernach in Thun. Ausgerüstet mit vorzüglichen medizinischen Kenntnissen, mit einem goldlautern Herzen schuf er sich eine erfolgreiche Praxis, errang sich das unbedingte Vertrauen seiner Patienten und machte das Wort wahr: dass ein guter Arzt ein guter Mensch sein müsse.
Sein Lebensschicksal sollte ihn jedoch nicht in dieser Tätigkeit belassen, es hatte ihm ein seinen ureigensten Fähigkeiten entsprechendes Gebiet ausersehen. Sein von ihm hochverehrter Lehrer und einstiger Chef Theodor Kocher sel. hatte den Wert und die Entwicklungsmöglichkeit der Entdeckung Wilhelm Röntgen’s für die chirurgische und medizinische Diagnostik erkennend, mit sicherem Blicke in Dr.Hopf die zur Ausübung und weiteren Entwicklung dieses neuen Hilfsmittels geradezu prädestinierenden Fähigkeiten erkannt und ihn ermuntert, sich dem Röntgenfache zu widmen. Dr.Hopf folgte diesem Rate; nach kurzer Ausbildung in Aschaffenburg zog er 1910 nach Bern, wo er das erste private Röntgeninstitut eröffnete.
Mit Feuereifer, mit der ihm eigenen Gewissenhaftigkeit und Beharrlichkeit widmete er sich seiner neuen Aufgabe. Wer nur die heutige ausgebildete Technik, die vervollkommneten, einfachen Apparaturen, die ausgedehnte Röntgenliteratur und reiche Lernmöglichkeit vor sich sieht, kann nicht ermessen, mit welcher Unsumme von Arbeit, unablässigen Übungen und Versuchen die Röntgentechnik damals angeeignet, mit welchen primitiven Mitteln suchend und tastend gearbeitet werden musste. All diese zahlreichen Schwierigkeiten der anfänglichen Zeit bemeisterte Dr.Hopf dank seiner photographischen und mechanischen Geschicklichkeit, seiner soliden physikalischen Kenntnisse. Der Erfolg blieb nicht aus: seine schönen, technisch einwandfreien Aufnahmen, ihre sichere Deutung verrieten den Meister und verschafften ihm Achtung und Autorität bei seinen Kollegen. Seine Autorität war so anerkannt, dass in schwierigen Fragen sein Gutachten eingeholt wurde. Seine Urteile waren immer der Wiederspiegel seines Gerechtigkeitssinnes und seines integren Charakters.
Da nur das Beste für ihn gut genug war, machte er sich die Fortschritte der Technik zu Nutzen und scheute keine Kosten, die neuesten Apparaturen anzuschaffen, um in Diagnostik und Therapie noch erfolgreicher und nutzbringender für seine Patienten arbeiten zu können. Für die stete Ausbildung bedacht, opferte er häufig einen Teil seiner Ferien um an in- und ausländischen Instituten andere Arbeitsmethoden kennen zu lernen, mit kritischem Sinne das Gute und Wertvolle erkennend und verwertend.
Mit der gleichen, nie erlahmenden Gewissenhaftigkeit ging Dr.Hopf in der Strahlenbehandlung vor; dank seiner Vorsicht und gründlichen Kenntnisse der Gefahren der Strahlenbehandlung hat er seinen Patienten nie den geringsten Schaden zugefügt.
Mit weitem Blick die zunehmende Entwicklung der Röntgenologie erfassend, hat Dr.Hopf schon früh die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses der Schweizerischen Röntgenärzte erkannt und diesem Gedanken mit seinem gleichgesinnten Freunde und Kollegen Dr.Mack mit der Gründung der Schweizerischen Röntgengesellschaft im Jahre 1913 feste Gestalt verliehen. Dem Vorstande der neuen Gesellschaft gehörte er ununterbrochen bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1928 an; seine Bescheidenheit liess ihn immer den Vorsitz andern überlassen, er liebte es nicht, im Vordergrunde zu stehen. Auf seine Mithilfe war aber ständiger Verlass, seine Voten waren klar und scharf und hatten unbedingtes Gewicht. Die Summe seiner im Laufe der Jahre geleisteten Arbeit nur zu skizzieren, ist hier nicht möglich. Eines nur sei hier hervorgehoben. Lange bevor bei den Fachvereinigungen des Auslandes der Gedanke hierfür laut geworden war, hat Dr.Hopf immer auf die Notwendigkeit hingewiesen, Schutzmassnahmen zur Verhütung von Röntgenschädigungen zu ergreifen. Als seine zunehmenden Beschwerden ihn im Jahre 1928 zur Niederlegung seines Mandates nötigten, war es ihm eine besondere Genugtuung, seinen Gedanken in den Richtlinien für die Erstellung und Führung von Röntgeninstituten noch verwirklicht zu sehen. Es war dies die letzte grosse Aufgabe, an der Dr.Hopf mit seiner Sachkenntnis mitgearbeitet hat. Die Schweizerische Röntgengesellschaft gab ihrer grossen Dankesschuld an ihren Gründer und verdienstvollen Mitarbeiter dadurch Ausdruck, dass sie ihn zu ihrem Ehrenmitglied ernannte, die einzige Ehrung, die sie zu vergeben hat und selten vergibt.
Die Berufseigenschaften des vortrefflichen, gewissenhaften Arztes ruhten auf einer harmonischen, tiefen Charakterveranlagung. Bei aller Grundsätzlichkeit weitherzigen Sinnes, gradlinig und offen, verfocht er eine wohlerwogene Ansicht ohne zu verletzen, seine geradezu exemplarische philosophische Ruhe verliess ihn nur, wenn andern Unrecht geschah. Äusserlich eher trocken, schweigsam und bedächtig, am Durchschnitt gemessen sicher originellen Formates, verbarg sich hinter diesem Äussern geistvoller Humor, Gemütstiefe und Seelenadel, die sich voll an der Seite seiner liebevollen, aufopfernden Gattin, im Kreise seiner Kinder und bei seinen Freunden offenbarten. Seine Liebe zur Natur zog ihn in früheren Jahren oft in die Berner- und Walliseralpen, wo er dank seiner zähen, widerstandskräftigen Natur manchen stolzen Viertausender bezwang. Diese Bergfahrten lösten in den letzten Jahren Reisen in’s Ausland ab, von denen zwei grös-sere ihn nach Griechenland-Kreta und nach Tunis führten. Künstlerische Aufnahmen illustrierten zu Hause seine anschaulichen Reiseschilderungen.
Seine kräftige, gestählte Natur schien ihm noch viele Jahre gesunden Schaffens zu verbürgen. Doch unvermerkt trat die Krankheit an ihn heran, erst nur mit häufigen Unpässlichkeiten, dann mit vollem Ausbruch ihn auf’s Krankenlager werfend. Seine Widerstandskraft erwies sich als zermürbt, verbraucht an den Strahlen, die vielen seiner Kranken zum Segen geworden. Zwei lange Jahre führte er den Kampf zwischen ärztlichem Wissen und menschlichem Hoffen, standhaft und heldenmütig bis kurz vor seiner Auflösung. Ein gütiges Geschick, eine tiefe Bewusstlosigkeit ersparte ihm den Schmerz der Trennung von den Seinen.
Ein vornehmer, gütiger Mensch, der den Seinen so vieles gab, den Patienten und Freunden vieles war, ist von seinen Leiden erlöst zur ewigen Ruhe gegangen. Seiner Familie Trauer ist unsere Trauer, ihr gilt unsere warme aufrichtige Anteilnahme, unser ganzes Mitfühlen. Du, lieber Freund, ruhe im Frieden des Herrn.
G. P., Bern.
Nachruf gehalten bei der Kremation am 13.August im Namen der Schweiz. Röntgen-Gesellschaft
Schweizerische medizinische Wochenschrift 60,
Nr. 50, 1930 (1187–1188)